Interview mit Ralph Bruhn (Hall Games)
cliquenabend.de: Hallo Ralph, würdest du dich bitte unseren Lesern, die dich vielleicht noch nicht kennen, kurz vorstellen
Ralph: Hallo zusammen! Fangen wir mal mit dem Standardsatz an: Ich bin 43 Jahre alt, wohne in der Nähe von Bonn, bin verheiratet und habe zwei Kinder. Weitere Informationen gehen aus den folgenden Antworten hervor ... :-)
cliquenabend.de: Du bist seit einiger Zeit Redaktionsmitglied bei hall9000, was genau sind dort deine Tätigkeiten?
Ralph: Der größte Teil meiner Tätigkeiten dort entfällt auf die Erstellung von Rezensionen. Daneben bearbeite ich Rezensionsfotos, betreue den Fußballtipp und helfe ab und zu beim Lektorat (jede unserer Rezensionen wird vor der Veröffentlichung noch einmal korrekturgelesen)
cliquenabend.de: Was machst du Hauptberuflich?
Ralph: Von der Ausbildung her bin ich Vermessungsingenieur – arbeite aber schon seit Jahren „artfremd“ für den TÜV Rheinland und betreue dort ein Softwaresystem.
cliquenabend.de: Wie kamst du als Hobby auf Brettspiele?
Ralph: Naja – ich kam nicht darauf, es war schon immer meine liebste Freizeitbeschäftigung. Als Kind begann es mit Kartenspielen, Kniffel und den üblichen Familienspielen. Die „Entwicklung“ zu anspruchsvolleren Spielen begann dann während meines Studiums. Nach dem Studium habe ich dann in Bonn einen großen Spieletreff entdeckt, den ich heute noch so oft wie möglich besuche.
cliquenabend.de: Welche anderen Hobbys hast Du?
Ralph: Meine Familie und insbesondere meine Frau sind ebenso dem Spielevirus verfallen wie ich. Da bleibt nicht mehr viel Zeit für andere Dinge, die ich so intensiv betreibe, dass ich sie als Hobby bezeichnen würde.
Ich formuliere die Antwort daher so: Wenn ich mal ein paar Stunden Freizeit für mich alleine habe, dann mag ich
- mich gemütlich mit einem Glas Rotwein vors Heimkino setzen (das geht auch mit meiner Frau ...)
- eine Runde joggen gehen (... das nicht ... ;-))
- lesen (oft Thriller, Fantasy)
- im Internet surfen – wobei das meistens wieder unter „Spielehobby“ fällt ;-)
cliquenabend.de: Wie kamst du zu hall9000?
Ralph: Als Leser kannte ich Hall9000 schon lange. Irgendwann bin ich Frank Gartner aufgefallen, weil ich im Hall9000-Forum einige – seiner Ansicht nach – fundiert klingende Postings abgegeben hatte. So fragte er mich, ob ich nicht Lust dazu hätte, mich mal an einer Rezension zu versuchen. Und da mir das Spaß machte und Frank mit dem Ergebnis zufrieden war, wurde ich dann ins Team aufgenommen – das war vor gut drei Jahren.
cliquenabend.de: Vor ein paar Tagen wurde bekanntgegeben, dass du den Verlag Hall Games dieses Jahr gründen wirst, wie kam es dazu?
Ralph: Da muss ich ein bisschen ausholen:
Uwe Rosenberg habe ich kurz nach der Veröffentlichung von Agricola näher kennengelernt. Ich hatte Agricola gerade für Hall9000 rezensiert und darin Kritik an der Spielregel geübt. Da ich es nicht bei der bloßen Kritik belassen wollte, bot ich ihm an, für sein folgenden Spiel „Le Havre“ die Regeln korrekturzulesen. Aus der Korrektur wurde eine Neustrukturierung, mit der Uwe sehr zufrieden war.
So einigten wir uns schnell darauf, dass ich für sein nächstes Projekt „Loyang“ ebenfalls die Spielregel erstellen würde – und auch gleich einen Teil der redaktionellen Bearbeitung dazu übernehmen würde.
Was noch fehlte, war allerdings ein Verlag. Und irgendwann fragte mich Uwe, ob ich nicht auch diesen Job übernehmen würde. Diese Herausforderung fand – und finde - ich so spannend, dass ich zugesagt habe.
cliquenabend.de: Was ist das Konzept von Hall Games?
Ralph: Wir wollen Spiele für sogenannte „anspruchsvolle Vielspieler“ anbieten – frei nach dem Motto „Spiele von Spielern für Spieler“. Besonderen Wert legen wir auf eine qualitativ hochwertige Ausstattung der Spiele.
cliquenabend.de: Mit Uwe Rosenbergs "Vor den Toren von Loyang" habt ihr euch gleich einen richtigen Vielspielertitel ins Haus gebracht wie kam es dazu?
Ralph: Wie oben bereits erwähnt, wurde der Verlag extra für „Vor den Toren der Loyang“ geschaffen – aber gleich auch mit dem Vorsatz, es nicht bei dem einen Spiel zu belassen.
cliquenabend.de: Ist das Verlagsgeschäft nun dein neuer Hauptberuf?
Ralph: Nein – und das wird sich aller Voraussicht nach auch nicht ändern. Mit Spielen dieser Kategorie kann man nicht ernsthaft erwarten, großen Gewinn zu machen. Vielleicht kann man davon das Folgeprojekt finanzieren – aber nicht davon leben. Das „große Geld“ muss anderswo verdient werden ...
cliquenabend.de: Mit welcher Auflagenzahl werdet ihr beginnen?
Ralph: Genaue Zahlen kann ich da noch nicht nennen – sie wird im vierstelligen Bereich liegen.
cliquenabend.de: Gibt es eine Zusammenarbeit mit Lookout-Games oder macht ihr das nun alles?
Ralph: Eine direkte Zusammenarbeit der Verlage ist bisher nicht geplant. Uwe wird natürlich weiterhin mit Lookout Games zusammenarbeiten, was seine bisherigen Spiele (Bohnanza, Agricola, Le Havre) angeht – also auch bezüglich aller Erweiterungen, die für diese Spiele noch folgen werden.
cliquenabend.de: Wie sieht die Zukunft von Hall Games aus?
Ralph: In 2009 werden wir uns auf „Vor den Toren von Loyang“ beschränken. Für das kommende Jahr ist wieder mindestens ein „großes“ Spiel geplant. Inwieweit weitere Spiele hinzukommen werden, hängt auch ein bisschen vom Erfolg des Verlages ab.
cliquenabend.de: Wie kontaktiert man euch mit einer neuen Spielidee?
Ralph: Für dieses und vermutlich auch das kommende Jahr sind wir ausgelastet. Im 2. Quartal 2009 soll die Verlagshomepage online gehen: Dort wird man nachlesen können, ob, ab wann und in welcher Form wir Prototypen entgegennehmen.
Uwe Rosenberg mit Loyang Prototypen
cliquenabend.de: Warum eigentlich der Name "Hall Games"?
Ralph: Hall9000 ist für mich so etwas wie meine „Internetheimat“ und ich bin auch gut mit Frank Gartner und Uta Hillen, den „Machern“ der Seite, befreundet. Als ich den beiden von meinem Verlagsvorhaben erzählt habe, kam die Idee auf, eine Kooperation zwischen dem neuen Verlag und Hall9000 zu bilden. So könnte Hall9000 bspw. den Verlag beim Betrieb des Messestandes in Essen unterstützen.
Wegen meiner Nähe zu Hall9000 beschloss ich dann, diese Kooperation auch im Verlagsnamen deutlich zu machen.
Ich lege aber großen Wert auf die Tatsache, dass die Unabhängigkeit von Hall9000 dabei erhalten bleibt! Es wird z.B. keine Rezension eines Hall-Games-Spieles durch einen Hall9000-Rezensenten geben, und auch die Geldtöpfe werden streng getrennt verwaltet. ;-)
cliquenabend.de: Wie sieht dein aktueller Verlagsalltag aus?
Ralph: Einen Alltag gibt’s da logischerweise noch nicht. Da ich ja sowohl die redaktionelle Betreuung des Spiels mache als auch die Verlagsarbeit, fällt mal dieses, mal jenes an. D.h optimieren der Regeln, diskutieren von Änderungsvorschlägen, kommentieren erster grafischer Entwürfe, Konzept für die Homepage etc.
cliquenabend.de: Welche Spiele spielst du aktuell gerne im Freundeskreis und warum?
Ralph: Das ist schwierig zu beantworten, da das von der jeweiligen Spielerunde abhängt. Und da vertrete ich die Ansicht, dass praktisch jedes Spiel mit den richtigen Leuten zur richtigen Zeit Spaß machen kann. Nur triftt das für einige Spiele mit höherer Wahrscheinlichkeit zu ... ;-)
Besonders oft spiele ich natürlich die Spiele, die gerade auf meiner Rezensionsliste stehen. Das waren zuletzt „Die Prinzen von Machu Picchu“, „Diamonds Club“ und „Sator arepo tenet opera rotas“ – die mir glücklicherweise alle auch gut gefallen.
Daneben versuche ich, möglichst viele der für mich interessanten Neuheiten wenigstens einmal gespielt zu haben. Mit „interessant für mich“ meine ich grob gesagt Aufbau- bzw. Optimierungsspiele mit einer Spieldauer von 90-120 Minuten, bei denen man unterschiedliche Spielweisen ausprobieren kann. Warum? Spiele mit geringem direkten Interaktionsanteil gefallen mir dabei eher als Spiele mit direkten Konflikten, bei denen oft die nichtbeteiligten Spieler als Nutznießer hervorgehen. Natürlich gibt’s Ausnahmen, z.B. Euphrat und Tigris. Oder reine Zweipersonenspiele ...
In der Familie spielen wir zur Zeit sehr oft Dominion und immer noch die Siedler von Catan.
An der Spitze meiner ewigen Bestenliste stehen „Agricola“, „Das Zepter von Zavandor“, „Caylus“ und „Puerto Rico“– zugegeben, ich bin ein „Euro-Gamer“ ... ;-)
Genauso gern spiele ich aber auch Geschicklichkeitsspiele wie Carrom, Crokinole, Kubb etc. – aber das ist eine andere Kategorie.
cliquenabend.de: In 2008 sind viele zum Teil sehr erfolgreiche Kooperativspiele erschienen. Wie siehst Du diese Entwicklung?
Ralph: Ich selbst spiele ganz gerne auch einmal ein kooperatives Spiel. Reiner Knizias Herr der Ringe ist eines meiner Lieblingsspiele. Von den neuen habe ich bisher nur eines (Pandemie) ausprobiert und fand es ganz OK.
Ich halte es mehr für einen Zufall, dass 2008 relativ viele Spiele dieser Kategorie erschienen sind, ich sehe da noch keinen Trend. Diese Spiele sind eine nette Abwechslung – aber die meisten Spieler sind doch kompetitiv orientiert, deshalb werden kooperative Spiele die Ausnahme bleiben.
cliquenabend.de: Welche Spiele (Top 5) waren für Dich die Highlights in 2008?
Ralph: Am meisten und am liebsten gespielt habe ich in 2008 „Agricola“, meine absoluter Favorit.
Falls ihr Neuheiten 2008 meint: Hier ist “Dominion“ meine klare Nummer 1, danach folgt „Stone Age“. Ansonsten fallen mir spontan „Comuni“, „Le Havre“ in der Kurzversion, und „Die Prinzen von Machu Picchu“ ein. Dazu noch das abstrakte Zweipersonenspiel „Aronda“.
Allerdings muss ich zugeben, dass ich einige der „interessanten“ Essen-Neuheiten noch nicht gespielt habe.
cliquenabend.de: Welches Thema würdest Du sehr gerne als Brettspiel umgesetzt sehen?
Ralph: Diese Frage zu beantworten ist eine der schwierigsten Aufgaben der Spielentwicklung!
Wenn ich ein Thema wüsste, würde ich mich direkt an die Arbeit machen und versuchen, ein Spiel dazu zu entwickeln ... ;-)
cliquenabend.de: Wie wichtig ist für Dich die Optik und das Material in einem Spiel?
Ralph: Um ein Spiel zu mögen, benötige ich noch keine tolle Optik. Ich kann auch mit grafiklosen Prototypen eine Menge Spielspaß haben.
Aber Spiele mit tollem Material, das gut aussieht, sich gut anfühlt und zum Spiel passt – die sorgen für ein besonderes Spielerlebnis. Daher neige ich auch dazu, meine Lieblingsspiele noch weiter aufzuhübschen.
cliquenabend.de: Wo siehst Du dich in 5 Jahren?
Ralph: Ich hoffe, dass ich auf mindestens 5 veröffentlichte Spiele zurückblicken kann ... :-)
cliquenabend.de: Wie siehst Du die Entwicklung internationaler Verlage bzw. Autoren?
Ralph: Jeder dieser Verlage bereichert die Spielelandschaft, dabei ist mir die Nationalität herzlich egal. Für mich ist nur wichtig, ob mir die Spiele gefallen.
Wenn ich darüber nachdenke, halte ich viele Spiele von z.B. Ystari und Matagot, aber auch von einigen italienischen Autoren für überdurchschnittlich gut.
Aber eigentlich sehe ich Spiele gar nicht so durch die nationale Brille oder vergleiche „deutsche“ mit „internationalen“ Spielen.
cliquenabend.de: Hast du eine Anekdote aus deinem Redaktionsleben für uns?
Ralph: Leider nein – in den ersten Wochen meines Redaktionslebens ist nichts in der Richtung passiert ... ;-)
cliquenabend.de: Wenn du ein einzelnes Spielstück sein könntest, was wärst du und warum?
Ralph: Ein einfacher Würfel: Kaum ein anderes Spielelement löst größere spontane Emotionen aus, wenn das gewünschte Ereignis eintritt - oder auch nicht ... ;-)
cliquenabend.de: Wie findest du das cliquenabend.de Konzept?
Ralph: Insbesondere die Videos gefallen mir sehr gut – das gibt’s in dieser Form sonst nicht. Außerdem sind die Messevorberichte für mich zu einer wichtigen Informationsquelle geworden.
cliquenabend.de: Möchtest du noch etwas unseren Lesern mitteilen?
Ralph: Ich wünsche allen einen guten Spielejahrgang 2009 und versuche, meinen Teil dazu beizutragen! :-)
Ralph Bruhn mit Loyang Prototypen
Das Interview wurde von Andreas Buhlmann für cliquenabend.de geführt.
Vielen Dank an Ralph Bruhn für seine Unterstützung.
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