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Artikel vom 03.05.2007

Autor: Andreas Buhlmann (Smuker)

Kategorie: Interviews
Umfang: 1 Seiten


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Interview mit Walter Müller



Wir haben uns mit Walter Müller, den Autoren von Turmbau zu Babel und Brettfussball über seine Ideen, Lebenshighlights und vieles mehr unterhalten. Die gesammelten Informationen findet ihr wie immer in unserem ausführlichen Interview. aktuellen Spiel erfahrt ihr im ausführlichen Interview.

cliquenabend.de: Hallo Herr Müller könnten Sie sich unseren Lesern, die Sie vielleicht noch nicht kennen, kurz vorstellen?

Walter Müller: Mein Name ist Walter Müller, mittlerweile bin ich 48 jahre alt, habe eine Frau und drei Kinder (15, 12 und 8 Jahre). Ich wohne in Kempten, im Allgäu.

cliquenabend.de: Wie lange beschäftigen Sie sich schon mit Brettspielen?

Walter Müller: Eigentlich solange ich zurückdenken kann. Zuerst als begeisterter Spieler, dann auch als Spieleerfinder. Mein erstes Spiel war Brettfußball, ich erfand es im Sommer 1974 im Alter von 15 Jahren. 1977 nahm ich beim Spieleerfinderwettbewerb der Firma ASS mit vier Spielen Teil, das war mein erster Kontakt mit der Spieleszene.

cliquenabend.de: Wann haben Sie ihr erstes Spiel erfunden?

Walter Müller: 1974: Brettfußball

cliquenabend.de: Wie kam es dazu?

Walter Müller: Es war während der Fußballweltmeisterschaft 1974 in Deutschland. Ich war im totalen Fußballfieber. Wenn nicht gerade ein Spiel im Fernseher lief, spielte ich mit Freunden auf dem Bolzplatz. An diesem Sonntag regnete es in Strömen, es war spielfreier Tag bei der WM, so rief ich alle meine Freunde an, jedoch wollte keiner mit mir draußen im Matsch Fußball spielen. Ich wollte trotzdem nicht auf Fußball verzichten, nahm einen Zeichenkarton, zeichnete ein Fußballfeld auf, das ich in lauter kleine Einzelfelder unterteilte. Dann plünderten wir (mein jüngerer Bruder und ich) ein Schachspiel, jeder bekam elf Figuren, als Ball nahmen wir ein 10-Pfennig-Stück. Ich bestimmte, dass derjenige, der mit einer Figur auf dem Ball steht, diesen der gewürfelten Zahl entsprechend, schießen kann oder alternativ eine eigene Figur bewegen darf. Wird die ballbesitzende Figur von einer gegnerischen Figur attackiert (die Figur erreicht genau das Feld, auf dem die ballbesitzende Figur steht) muss der Ball geschossen werden.
Wir spielten einfach darauf los und zu meiner eigenen Überraschung funktionierte das Spiel tadellos. Die Erfindung des Spieles dauerte also mit Herstellen des Spielplanes vielleicht eine halbe Stunde. Bis heute haben sich die Spielregeln nicht verändert.

cliquenabend.de:Wie lange hat es gedauert bis es letztendlich im Laden stand?

Walter Müller: 1974 habe ich es erfunden, 1984, also 10 Jahre später, habe ich erste handgeklebte Exemplare in alternativen Läden in Kempten angeboten, erst 1994 kam dann eine bessere Auflage heraus, im Jahr 2003 erschien eine optisch weiter verbesserte Version mit Taktikbuch, in dem die Erfahrungen der letzten 29 Jahre zusammengefasst sind.

cliquenabend.de: Wie kam das Spiel in ihrem Freundekreis an?

Walter Müller: Wenn das Spiel im Freundeskreis nicht so überragend gut angekommen wäre, dann wäre ich nie auf die Idee gekommen, es einer breiteren Öffentlichkeit vorzustellen.

cliquenabend.de: Ihr Spiel "Favoriten" hat eine interessante Geschichte würden Sie sie uns erzählen?

Walter Müller: Favoriten war ebenfalls eine Blitzidee. Ein Künstler namens Wolfgang Steinmeyer hatte in Kempten eine Ausstellung. Ich sah mir die Bilder an, darunter war eines mit dem Titel >Pferderennen< . Als ich mit dem Auto zu meiner Wohnung zurück fuhr (Fahrzeit etwa 8 - 10 Minuten), dachte ich mir auf dieser Fahrt, es wäre doch eine
Möglichkeit, aus diesem Titel ein Spiel zu machen. Ich stieg aus, zeichnete sofort meine Idee auf und dis Spielregel von Favoriten war fertig. Nach einigen Tests bot ich es der Firma Ravensburger Spiele an. Zu meiner großen Freude wollten es die Ravensburger in ihr Programm aufnehmen. Ich bekam einen Autorenvertrag, Ravensburger produzierte Probeexemplare, allerdings nicht mit meinem Grafikvorschlag von Wolfgang Steinmeyer, sondern mit einer eigenen Ravensburger Grafik. Dann kam der Schock. Die Testfamilien, die das Spiel einem letzten Test unterzogen, fanden die Spielregel optimal, aber die Grafik nicht sehr ansprechend. Aus diesem Grunde ging das Spiel dann nicht in Serie. Die Ravensburger zahlten mir eine Entschädigung, damit der Vertrag aufgelöst werden konnte. Ich war weiterhin von der Spielidee überzeugt, produzierte es selbst mit der Grafik von Wolfgang Steinmeyer. Dann geschah etwas, was ich in der damaligen Zeit überhaupt nicht für möglich gehalten habe. Ich hatte noch nie auch nur mit einem Gedanken daran gedacht, das war für mich außerhalb meiner Reichweite und darum zu diesem Zeitpunkt auch nie ein realistisches Ziel. Das Spiel kam auf Anhieb auf die Auswahlliste Spiel des Jahres.

cliquenabend.de: Warum gibt es das Spiel aktuell nicht mehr bei Ihnen zu kaufen?

Walter Müller: Es gibt immer wirtschaftliche Gründe, warum ein Spiel weiter im Programm gehalten wird oder nicht. Die Produktion, die Lagerung und der Vertrieb eines Spieles kosten Geld (LAgermiete, Werbekosten, Messekosten usw.) Ein neues Spiel wird im besten Fall kurz nach Erscheinen oft verkauft, die Verkaufsgeschwindigkeit verringert sich aber leider fast immer im Laufe der Zeit. Irgendwann ist dann die Lagerumschlagsgeschwindigkeit im Vergleich zu den genannten Kosten zu langsam, so dass sich eine Neuauflage aus wirtschaftlichen Gründen nicht mehr lohnt.

cliquenabend.de: Ihr Spiel Brettfußball wurde mehrmals überarbeitet. Was hat sich im Vergleich zu früher verändert?

Walter Müller: Wie schon erwähnt, hat sich an der Regel überhaupt nichts verändert, nur an der Schachtel- und Spielfeldgestaltung. In der neuesten Ausgabe liegt auch ein umfangreiches Taktikbuch bei, das dem Spieler die Geheimnisse und die Faszination des Spieles schneller nahebringt. Der Leser kann mit diesem Buch aus meiner 29-jährigen Erfahrung profitieren und somit schneller zu einem guten Brettfußballspieler werden.

cliquenabend.de: Fußballspiele gibt es ja inzwischen wie Sand am Meer. Was unterscheidet Ihr Spiel von den anderen?

Walter Müller: Da es wirklich sehr viele Fußballspiele gibt, sind natürlich auch viele Varianten auf dem Markt. Besonderheiten von meinem Brettfußballspiel sind vor allem die einfachen Regeln (Lerndauer eine Minute), die vielfältigen taktischen Möglichkeiten (Es sind viele Stunden und Tage Training nötig, um in Kempten, der Hochburg des Brettfußball in der Spitzengruppe mithalten zu können)und die niedrige Torezahl. Weil so wenige Tore fallen, ist ein Tor auch immer was besonderes. Wie beim echten Fußball kann dann eine Situation, die zum Tor geführt hat, genau analysiert werden. Oft wird die Stellung nach dem Spiel nochmals aufgebaut und diskutiert, ob der gemachte Zug richtig war, oder ob ein anderer Zug sinnvoller gewesen wäre. Manche Spieler erinnern sich noch nach Jahren an bestimmte Spielsituationen in einem wichtigen Meisterschaftsspiel (wer erinnert sich nicht an den verschossenen Elfmeter bei der EM 1976 von Uli Hoeneß, an das Tor von Rahn 1954 in Bern oder an den Drehschuß von Gerd Müller im Endspiel 1974?) In dieser Hinsicht ähnelt Brettfußball dem echten Fußball schon sehr.

cliquenabend.de: Spielen Sie selbst Tipp Kick? Was fällt Ihnen als Autor dabei positiv und negativ am Spiel auf?

Walter Müller: Tipp Kick ist ein wunderbares Spiel, aber gerade das Gegenteil von Brettfußball. Es lebt von Geschicklichkeit, Aktion, Schnelligkeit, Spaß, Brettfußball lebt von Taktik, Konzentration, Übung, Ausdauer. Beide Spiele haben ihren Reiz, je nach Stimmung spiele ich mal lieber Brettfußball und mal lieber Tipp Kick. Ein Sieg oder eine Niederlage im Tipp Kick kann aber niemals so viele Emotionen auslösen, wie ein Brettfußballergebnis.

cliquenabend.de: 2005 waren Sie nach langer Pause wieder in Essen. Was war das für ein Gefühl?

Walter Müller: Es war schon etwas ungewohnt, aber dann habe ich sehr viele Leute von früher wieder getroffen (Kollegen und auch Kunden) und dann hat es mir gleich wieder gut gefallen. Leider hat sich aber die Gesamtstimmung sehr verändert. Früher war es eher wichtig, wer ein gutes neues Spiel hat, heute habe ich das Gefühl, dass die wichtigste Frage lautet: "Wo gibt es welches Spiel am billigsten?" Durch diese Schnäppchenjägermentalität wird viel Kreativität der Spieleerfinder zerstört.

cliquenabend.de: Sie produzieren Ihre Spiele selbst, wie lange dauert die Erstellung eines Spieles?

Walter Müller: Nachdem ein Spiel wirklich komplett getestet ist, das bedeutet, die Regel steht bis ins kleinste Detail fest, brauche ich noch mindestens 6 Monate bis zur ersten Auslieferung an Läden.

cliquenabend.de: Welche Stufen durchläuft dabei das Spiel bis es fertig ist?

Walter Müller: Es gibt hier keine Regel. Das Spiel wird einfach oft gespielt, mit jeder Spielerzahl, mit erfahrenen Spielern, mit Gelegenheitsspielern, mit Kindern, mit Erwachsenen. Irgendwann fällt dann die Entscheidung, dass ein Spiel produziert wird, dann kommt die Arbeit des Grafikers, Produzenten für die verschiedenen Spielbestandteile werden gesucht, Aufträge vergeben, alles mit Blick auf ein bestimmtes Erscheinungsdatum, meistens eine Spielemesse.

cliquenabend.de: 1990 erstellten sie in Zusammenarbeit mit Klaus Zoch "Die Flusspiraten". Wie kam es zu der Begegnung?

Walter Müller: Wir (meine Familie und ich) waren im Urlaub in Frankreich und schauten auf dem Weg bei Klaus Zoch vorbei. Natürlich unterhielten wir uns über Spiele und auch über Neuentwicklungen. Zu dieser Zeit arbeitete ich an einem Spiel mit dem Arbeitstitel >Wahltag im Urwald<. Auch Klaus hatte ein halbfertiges Spiel, wo Rumfässer über das Meer gegen den Wind transportiert werden sollten. Die einzelnen Elemente waren vorhanden, die beiden Spielideen funktionierten aber nicht gut. Das interessante an der Sachlage war, dass sich die beiden Spielideen perfekt gegenseitig ergänzten. Bei >Wahltag im Urwald< musste jede Spielfigur im Wahllokal Stimmen für zwei verschiedene Parteien abgeben, daraus wurden die zwei verschiedenfarbigen Spielfiguren im Boot der Flusspiraten. Statt Rumfässern transportierten die Boote nun Menschen (Piraten). Aus dem Gegenwind wurde die Gegenströmung auf dem Fluss. Die Drehscheibe, die die Punktezahl festlegt kommt auch aus >Wahltag im Urwald<. Neu hinzu kam die lustige Knobelei, die entscheidet, wer aus dem Boot geworfen wird. Wir entschlossen uns, nachdem wir beide die Idee gut fanden, das Spiel gemeinsam zu produzieren. Das Spiel wurde in der Walter-Müller-Linie mit dem bewährten Grafiker Wolfgang Steinmeyer produziert.

cliquenabend.de: Eine große Gemeinsamkeit der Zochprodukte und Ihrer Spiele ist der große Anteil von Holz. Was fasziniert sie daran?

Walter Müller: Aus meiner Sicht ist nicht nur die Spielidee, sondern auch das Spielmaterial von entscheidender Wichtigkeit. Wenn das Material nicht stimmt, dann kann auch mit dem besten Spiel keine perfekte Stimmung aufkommen. Das Auge spielt mit! Aus diesem Grund und auch aus Umweltgründen greife ich so oft wie möglich auf Holz als Spielmaterial zurück, auch wenn dadurch die Produktion etwas teurer wird.

cliquenabend.de: Was wären Ihre Ratschläge die Sie jemanden geben würden der auch selbst ein Spiel erfinden möchte?

Walter Müller: Spontan fällt mir nur ein einziger Ratschlag ein: Wer ein Spiel erfinden will, sollte es für sich selbst erfinden. Wer schon bei der Erfindung auf den finanziellen Profit schielt, wird es schwer haben. Wer aber ein Spiel für sich selbst erfindet, macht es, um selber Spaß zu haben und wenn er dann Glück hat, ist die Idee so gut, dass später auch andere Leute damit Spaß haben können.

cliquenabend.de: Haben Sie weitere Spiele in Planung?

Walter Müller: Ich habe schon seit langer Zeit ein Spiel im Kopf. Die Idee habe ich aus zwei Romanen zusammengebastelt. Leider haben viele Versuche der Umsetzung noch kein Vernünftiges Ergebnis gebracht, aber ich arbeite weiter daran. Bisher ist alles zu kompliziert, zu umfangreich und eher ansträngend als witzig und pfiffig, kurz gesagt, noch zu schlecht, um es der Öffentlichkeit vorzustellen.

cliquenabend.de: Kam es schon vor, dass sie ein Spiel verworfen haben? Wenn ja, warum?

Walter Müller: Ja, ständig. Wenn ich eine Idee habe, dann bastle ich ein einfaches Muster und probiere das Spiel bei unserem wöchentlichen Spieleabend aus. Größtenteils sind die Ideen so schlecht, dass es nicht möglich ist, etwas Gutes daraus zu machen. Manchmal sind Ideen brauchbar, dann arbeite ich länger daran. Das reicht aber noch nicht für eine Veröffentlichung. Wenn ein Spiel auf den Markt kommen soll, dann muss es in meinen Augen absolut Spitze sein und ein solcher Glücksfall kommt leider selten vor. Erst wenn ich von einem Spiel restlos begeistert bin, investiere ich Geld in die Produktions. Hätte ich nicht dieses große Maß an Selbstkritik, dann hätte ich mich selber sicherlich schon total finanziell ruiniert.

cliquenabend.de: Treffen Sie sich eigentlich regelmäßig mit anderen Autoren und besprechen Ideen?

Walter Müller: Ich treffe mich nicht regelmäßig mit Autoren um meine Ideen zu besprechen. Sollte ein Autor aber mit mir über seine Ideen sprechen wollen, bin ich immer gerne zu einem Gespräch bereit. Es gab ja zwei Spiele von anderen Autoren, die ich produziert habe: Sensationen von Helmut Huber und Rette sich wer kann von Ronald Wettering.

cliquenabend.de: Wenn ja, wie sieht so ein Treffen aus?

Walter Müller: Bevor ich mich mit einem Autoren treffe, sprechen wir oft am Telefon kurz über das Spiel. Oft kann man bei einem solchen Gespräch schon abklären, ob das Spiel überhaupt für mich interessant ist. Wenn es dann zu einem Treffen kommt, wird eigentlich nur intensiv gespielt und über die Stärken und Schwächen des Spieles geredet. Danach, wenn es einen Sinn hat, bleibt das Spiel bei mir, um es noch intensiver zu testen, irgendwann fällt dann die Entscheidung über das Spiel.

cliquenabend.de: Welche Spiele spielen Sie selbst ganz, wenn Sie sich mit Freunden treffen?

Walter Müller: PS vom Hans im Glück Verlag (eines meiner absoluten Lieblingsspiele) Siedler von Catan, Zug um Zug, El Grande und viele andere mehr.



cliquenabend.de: Gibt es sonst noch etwas was Sie unseren Lesern mitteilen wollen?

Walter Müller: Seit ich Spiele mache, war und ist mein größtes Problem immer der Vertrieb, der Verkauf der Spiele, die Werbung. Vielleicht ist jemand unter den Lesern dieser Zeilen, der gerade auf diesem Gebiet besonders ideenreich ist. Diese Person darf sich gerne mal unverbindlich mit mir in Verbindung setzen. Wer die Begeisterung fühlen will, die Brettfußball im Allgäu ausgelöst hat, sollte sich mal auf der Seite www.brettfussball.de umschauen.

Das Interview wurde von Andreas Buhlmann für cliquenabend.de geführt.

Vielen Dank an Walter Müller für Ihre Unterstützung.
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