Interview mit Wolfgang Kramer
cliquenabend.de: Hallo Herr Kramer. Könnten Sie sich unseren Lesern, die sie noch nicht kennen, kurz vorstellen?
Wolfgang Kramer: Ich bin Spieleerfinder aus Überzeugung und Leidenschaft. Seit 1974 habe ich über 100 Spiele mit einer Gesamtauflage von über 10 Millionen veröffentlicht. Mehrere davon wurden im In- und Ausland ausgezeichnet. Fünfmal erhielt ich den Preis Spiel des Jahres, einmal den Sonderpreis Kinderspiel und viermal den Deutschen Spielepreis, davon einmal für ein Kinderspiel.
1972 begann ich als Hobby mit dem Entwickeln von Spielen. Die Begeisterung für Spiele sollte mich fortan nicht mehr loslassen. 1974 veröffentlichte ich mein erstes Spiel Tempo (ASS). In der Folgezeit entstand dann jedes Jahr mindestens ein Spiel.
Mitte der achtziger Jahre hatte ich praktisch zwei Berufe: meinen Hauptberuf als Leiter eines dezentralen Rechenzentrums in einer Großfirma und meine Tätigkeit als Spieleerfinder.
Es wurde mir klar, dass ich beide Berufe auf Dauer nicht gewissenhaft ausführen konnte. In Absprache mit meiner Frau entschied ich mich für das Spiel. Seit 1989 arbeite ich hauptberuflich als Spieleerfinder und war damals in Deutschland der Erste, der vom Spieleerfinden leben konnte.
cliquenabend.de: Wie kommt man dazu Spiele zu entwickeln, welches sind Ihre bekanntesten Werke?
Wolfgang Kramer: Ich spiele seit ich denken kann. Zuerst mit den Großeltern und später dann in der Familie und mit Freunden. Als Jugendlicher begann ich, Spiele abzuändern und mit neuen Regeln zu versehen. Die so geänderten Spiele fanden in meinem Freundeskreis großen Anklang, so dass von dort die Forderung kam, „mach doch mal ein komplett neues Spiels“. Es dauerte dann doch über 10 Jahre bis ich die Zeit und Lust dazu fand.
Mein bekanntestes Spiel ist „6 nimmt!“, das bis jetzt fast 2 Millionen mal verkauft wurde.
Danach folgen die fünf Spiele des Jahres: „Heimlich & Co.“, „Auf Achse“, „El Grande“, „Tikal“ und „Torres“. Aber auch „Mitternachtsparty“ und „Piraten Pitt“ wurden sehr oft verkauft. Von meinen neuesten Spielen wurde gleich im ersten Jahr „Verflixxt“ über 100.000-mal verkauft.
cliquenabend.de: Wie kann man sich den Alltag eines Spieleautors vorstellen und was tun Sie, wenn Sie keine Spiele erfinden?
Wolfgang Kramer: Ich arbeite sehr diszipliniert und beginne jeden Tag so gegen 8.00 Uhr mit dem Beantworten von Emails. Wenn ich dann ganz wach bin, arbeite ich an meinen Spielen. Es sind immer mehr als zehn Spiele mit unterschiedlichen Entwicklungsständen, die ich parallel bearbeite. Von 13.00 bis 15.00 Uhr mache ich eine Pause und danach geht es bis ca. 19.00 Uhr weiter. Abends schließen sich dann öfters noch Spiel- und Testrunden an.
Wenn ich keine Spiele erfinde, lese ich Bücher, höre Musik, sehe TV, gehe in Oper, Konzert, Museen, Ausstellungen und halte mich sehr gerne in der freien Natur auf. Das meiste mache ich zusammen mit meiner Frau, die mich auch beim Spieleentwickeln sehr unterstützt.
cliquenabend.de: Viele Ihrer bedeutendsten Werke in der letzten Zeit wurden in Zusammenarbeit mit Co-Autoren, wie Michael Kiesling oder Richard Ulrich entwickelt. Beim Kochen heißt es viele Köche verderben den Brei, doch in diesen Fällen scheint dies nicht der Fall zu sein. Wie gut muss ein Team abgestimmt sein, um gemeinsam ein gutes und ausbalanciertes Spiel zu entwickeln?
Wolfgang Kramer: Das Wichtigste ist, dass jeder im Team das Gefühl hat, dass alle sich für das gemeinsame Spiel voll engagieren und alles unternehmen, um es erfolgreich abzuschließen. Die Harmonie ist genauso wichtig wie die Auseinandersetzung. Letztlich bringt uns nur die Kritik weiter. Konflikte werden dadurch gelöst, dass die Testergebnisse ausschlaggebend sind.
cliquenabend.de: Gibt es ein Spiel auf das Sie besonders stolz sind? Warum?
Wolfgang Kramer: Ich hänge an den meisten meiner Spiele, weil ich weiß, wie intensiv ich mit ihnen gerungen habe und wie viel Herzblut in ihnen steckt. Dies gilt auch für die Spiele, die nicht so erfolgreich geworden sind oder sogar als Flop bezeichnet werden.
Alex Randolph hat einmal zu mir gesagt: „Ein Spiel ist dann fertig, wenn man nichts mehr wegnehmen kann.“ Ich glaube, dass dieser Anspruch am ehesten für „6 nimmt!“ gilt.
cliquenabend.de: Das Jahr 2000 war für Sie besonders erfolgreich, wenn man sich die Ergebnisse im Bereich der Spiel des Jahres und Deutscher Spiele Preis Bewertungen ansieht. Nachdem man zahlreiche Spiele entwickelt hat, wo bekommt man die Ideen für weitere innovative Spielprinzipien her?
Wolfgang Kramer: Innovation ist nicht alles. Es gibt viele sehr innovative Spiele, die nicht erfolgreich geworden sind, z.B. Mc. Multi. Während Monopoly noch ein Quantensprung in Innovation war, ist Carcassonne ein Spiel mit sehr wenigen Innovationen.
Ideen für Innovationen erhält man, indem man
a) mit offenen Augen durchs Leben geht und alles mit Spiel verbindet, was man mit seinen Sinnen aufnimmt.
b) sich mit Kreativitätstechniken auseinandersetzt,
c) kybernetische Modell in der Natur studiert,
d) vorhandene Spiele analysiert und strukturiert und Lücken entdeckt.
Die Methoden b bis d stellen ein systematisches gezieltes Suchen dar, mit der Methode a war ich aber am erfolgreichsten.
cliquenabend.de: Bei welchem Brettspiel würden Sie sagen: „Verflixxt, dass ich dieses nicht selbst erfunden habe?"
Wolfgang Kramer: Dies gilt für viele Spiele, ganz besonders aber für „Carcassonne“, weil ich mit „El Caballero“ einen Vorläufer und mit dem Entwickeln eines weiteren Legespiels bereits begonnen hatte. Mit „Bison“ (Phalanx, 2006), einem sehr anspruchsvollen Vertreter dieser Kategorie, schließt sich wieder der Kreis.
cliquenabend.de: Was für Arten von Spielen können wir in Zukunft von Ihnen erwarten? Haben Sie ein Konzept, was schon länger auf Lager ist und Sie gerne einmal Umsetzen würden?
Wolfgang Kramer: Wie schon in der Vergangenheit werde ich auch in Zukunft versuchen, viele unterschiedliche Spiele zu entwickeln. Es wird einfache und (sehr) anspruchsvolle Spiele geben, aber auch kommunikative Spiele. Vielleicht gelingt mir auch hin und wieder eine Überraschung. Welche das sein wird? Darauf bin ich selbst gespannt. Es kommt immer wieder vor, dass man ein Spiel mit einer ganz bestimmten Vorstellung beginnt. Das Spiel sich aber in eine ganz andere Richtung hin entwickelt. Dies finde ich ganz besonders spannend!
cliquenabend.de: Gibt es etwas, was Sie unseren Lesern mitteilen möchten?
Wolfgang Kramer: Ich würde mir wünschen, dass jeder, der gerne spielt, sich auch für das Spiel einsetzt, es verbreitet und auch zu jenen Menschen bringt, die noch nicht spielen, denn davon gibt es sehr, sehr viele. Dabei sollte man nicht von den eigenen Vorlieben ausgehen, sondern mehr das in Vordergrund stellen, was den Nichtspielern gefallen könnte. Ich bin überzeugt, dass man dabei eine Menge über Menschen und Spiele lernen kann.
Das Interview wurde von Kevin Jensen für cliquenabend.de geführt
Vielen Dank an Herrn Kramer für die freundliche Unterstützung.
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