Interview mit Wolfgang Kramer zu Colosseum
cliquenabend.de: Hallo Herr Kramer. Seit unserem letzten Interview hat sich bei Ihnen einiges getan. Derzeit steht die Veröffentlichung ihres Spiels Colosseum bei Days of Wonder kurz bevor. Können sie den Lesern ein wenig über das Spielkonzept und die Spielmechanik erzählen?
Wolfgang Kramer: In Colosseum schlüpfen die Spieler in die Rolle eines römischen Veranstalters von Spielen (Spektakel), die er in seiner Arena abhält. Bei Spielbeginn erhält jeder Spieler eine Arena. Für seine Darbietungen stehen ihm zum Beispiel Gladiatoren, Künstler, Löwen, Wagen, Priester oder auch Fackeln und andere Requisiten zur Verfügung (= Spektakelkärtchen). Diese muss er erwerben oder erhält sie durch Handeln. Mit diesen Personen, Tieren und Requisiten werden die Veranstaltungen ausgestattet. Je größer die Veranstaltung ist, desto aufwändiger sind die Vorbereitungen. Es werden mehr Personen, mehr Tiere und mehr Requisiten, aber umso mehr Zuschauer kommen in die Arena. Somit steigen die Einnahmen, mit denen der Spieler weitere noch größere Veranstaltungen finanzieren und die Rechte für deren Aufführung erwerben kann. Gelingt es dann sogar, den Kaiser und andere Vertreter des Adels als Zuschauer bei einer Veranstaltung begrüßen zu dürfen, so erhöht sich die Besucherzahl in der Arena nochmals.
Das Ziel ist es, das größte aller Spektakel aufzuführen. Es gewinnt der Spieler, dem es nach fünf Veranstaltungen gelungen ist, bei einer seiner Veranstaltungen die meisten Zuschauer in seine Arena zu locken. Dies gelingt meist erst in der fünften Veranstaltung eines Spielers.
Das Spiel ist eine gute Mischung aus Glück, Taktik, Strategie und Verhandlungsgeschick.
Es werden insgesamt nur 5 Runden gespielt. Jede Runde besteht aus den Phasen:
• Investieren
• Spektakelkärtchen auf einem der fünf Märkte erwerben (Versteigerungen)
• Spektakelkärtchen mit Spielern handeln / tauschen.
• Adlige (Kaiser, Konsuln, Senatoren) versuchen in seine Arena zu bringen und anschließend eine Veranstaltung aufzuführen (mit möglichst vielen Zuschauern) und Geld kassieren.
• Abschlusszeremonien
Jeder Spieler kommt in jeder Phase einmal an die Reihe. Pro Runde führt demnach jeder Spieler 5 Aktionen aus.
Beim Investieren kommt es darauf an, zum richtigen Zeitpunkt seine Arena auszubauen und sich die Veranstaltungen zu sichern, die viel Zuschauer einbringen und zu den eigenen Spektakelkärtchen passen
cliquenabend.de: Basiert das Spiel auf einem historischen Hintergrund und hat man darauf geachtet diesen möglichst Stilecht rüber zu bringen?
Wolfgang Kramer: Ja, das Thema war zuerst vorhanden. Es geht um „Brot und Spiele im antiken Rom, ganz speziell um die Einweihungsfeierlichkeiten des Colosseums, die 100 Tage gedauert haben.
Wer sich intensiver mit dem historischen Hintergrund auseinandersetzen möchte, der kann auf meiner Website eine Zusammenfassung lesen, die Markus Lübke geschrieben hat.
cliquenabend.de: Sie haben schon mit vielen Co-Autoren zusammengearbeitet, doch wie ist es mit einem Neuling aus der Szene zu arbeiten? Konnte Markus Lübke frische Wind in die gemeinsame Arbeit mit einbringen?
Wolfgang Kramer: Jeder Autor hat seinen eigenen Stil, so auch Markus Lübke. Er brachte nicht nur das Thema in die gemeinsame Arbeit, sondern war in der Entwicklung auch für die Authentizität der thematischen Umsetzung und die Atmosphäre zuständig. Jeder Spieler sollte sich wie ein Veranstalter von Spektakeln in einer Arena fühlen.
Days of Wonder hat unsere Arbeit wunderschön und themengerecht umgesetzt.
cliquenabend.de: Wie kam es zu der Zusammenarbeit mit ihm?
Wolfgang Kramer: Markus Lübke hatte sich mit seiner Idee, die lediglich das Thema beschrieben hat, an Ravensburger gewandt. Herr Hemme vom Ravensburger Spieleverlag hat uns dann zusammengebracht.
cliquenabend.de: Das Konzept zu Colosseum lag schon etwas länger auf Eis. Wie kam es eigentlich zur Entwicklung des Spiels und wie lange betrug die Entwicklungszeit bis hin zur Veröffentlichung?
Wolfgang Kramer: Das ist so nicht ganz richtig. Die Idee zu diesem Spiel lag nie auf Eis. Seit wir uns im Sommer 2001 getroffen haben, arbeiteten wir kontinuierlich an dem Spiel. Zuerst arbeiteten wir uns noch tiefer in das Thema ein. Dann suchten wir nach einem Konzept, um das Thema in ein Spiel umzusetzen. Ich arbeitete 5 grobe Alternativ-Konzepte aus, die wir dann gegeneinander abwogen. Diese Phase musste sorgfältig überlegt werden, denn hier wurden die entscheidenden Weichen gestellt, wie das Spiel später aussehen wird. Danach begannen wir mit der Suche nach einzelnen, themengerechten Mechanismen. Die Entwicklungsphase zog sich dann über mehrere Jahre hinweg, in denen das Spiel immer wieder verbessert wurde. Days of Wonder stellten wir das Spiel im Sommer 2005 vor.
cliquenabend.de: Der eigentliche Arbeitstitel des Spiels war "Spektakel" und wurde erst später in Colosseum umgewandelt. Wieso kam es zu der Namensgebung und welche Vorteile kann eine Namensänderung mit sich bringen?
Wolfgang Kramer: Der Titel „Spektakel“ stammt von Markus Lübke. Ich fand ihn sehr gut und Days of Wonder gefiel er auch.
Da Days of Wonder das Spiel international in vielen Ländern vermarkten möchte, brauchten wir einen Titel, der allen internationalen Ansprüchen standhielt und der zudem noch thematisch passend ist. Hier schnitt dann „Colosseum“ insgesamt am besten ab.
cliquenabend.de: Das Thema passt perfekt in das Days of Wonder Produktportfolio, wie z.B. Kleopatra. Was hat ihr Interesse an dieser Epochenzeit geweckt?
Wolfgang Kramer: Bei einem Thema sind wichtig, dass es
- sich gut für ein Spiel umsetzen lässt,
- originell ist und nicht bereits in vielen Spielen verwendet wurde,
- viel Atmosphäre mitbringt und
- eine eigene Welt verkörpert, in die man sich als Spieler gerne begibt.
All das traf auf dieses Thema zu. Deshalb war ich auch bereit, an dieser Idee mitzuarbeiten.
cliquenabend.de: Nun eine Frage zum persönlichen Geschmack: Ben Hur (Charlton Heston) oder Gladiator (Russell Crowe)? Und warum?
Wolfgang Kramer: Ich mag beide Filme und beide Darsteller. Wenn ich als Regisseur wählen müsste, hätte ich Charlton Heston genommen, weil er für mich den Gladiator mehr verkörpert als Russell Crowe. Russell Crowe hat mich in dem Film „A Beautiful Mind“ mehr überzeugt und mir besser gefallen als in Gladiator.
cliquenabend.de: Welcher Art von Spieler würden sie zum Kauf von Colosseum raten?
Wolfgang Kramer: Colosseum ist ein anspruchsvolles, komplexes Spiel mit einer Spielzeit von zwei Stunden bei voller Besetzung. Es ist also nichts für Spieler, die eher leichtgängige Spiele bevorzugen. Es ist aber auch für reine Strategiespieler nicht geeignet, weil es zu viele Zufallselemente besitzt. Es liegt zwischen diesen beiden Spieltypen. Wer ein Spiel sucht, bei dem Taktik, Strategie, Glück und Verhandlungsgeschick gut gemischt sind und der sich gerne in eine Themenwelt versenkt, für den ist Colosseum genau das richtige Spiel.
Das ist meine Einschätzung. Ich bin selber sehr gespannt, wie die Spieler und die Spielszene das Spiel beurteilen werden.
cliquenabend.de: Können wir weitere Projekte von Ihnen bei Days of Wonder erwarten?
Wolfgang Kramer: Die Zusammenarbeit mit Days of Wonder war sehr gut. Ich mag die Art, wie sich ein Verlag voll und ganz für ein Spiel einsetzt und an der Umsetzung feilt. Hier spürt man die verlegerische Arbeit. Ich bin jederzeit an einem weiteren Projekt mit Days of Wonder interessiert. Allerdings muss ich dann auch wieder ein Spiel mit dieser thematischen Dichte abliefern. Zur Zeit ist ein solches Spiel nicht in Sicht. Die Spiele, an denen ich zur Zeit arbeite, sind bis auf eines mehr Mechanismus orientiert.
cliquenabend.de: Viele Spieler haben Ideen für eigene Konzepte im Kopf und glauben nicht im Traum daran, diese einmal zu verwirklichen. Wenn jemand es wirklich ernst meint und glaubt seine Idee hat Potential, was würden Sie ihm raten?
Wolfgang Kramer: Testen, testen und testen. Und wenn man dann meint, jetzt ist das Spiel wirklich gut, dann sollte man nochmals von vorne beginnen und das Spiel verbessern. Gute Spiele gibt es viele und viele gute Spiele verschwinden Jahr um Jahr wieder von der Bildfläche. Ein Spiel muss sehr gut sein oder noch besser, es muss außergewöhnlich sein, wenn man erreichen möchte, dass es längere Zeit am Markt bleibt und viele Freunde findet.
cliquenabend.de: Wie eng ist eigentlich der Kontakt zwischen Hauptberuflichen Spieleerfindern, trifft man sich oder kommuniziert man zum Ideentausch?
Wolfgang Kramer: Der Kontakt mit den Kollegen ist gut, teilweise sogar freundschaftlich. Wir sehen uns meist zweimal im Jahr, in Nürnberg und in Essen. Meist bleibt dann nicht viel Zeit zum Diskutieren, weil die meisten ihre Termine haben. Wenn aber ein Autor ein Problem hat, dann reden wir per Telefon darüber und versuchen, gemeinsam eine Lösung zu finden. Mit Kollegen aus der Stuttgarter Gegend treffe ich mich öfters. Wir haben ein Autorentreffen, das etwa viermal im Jahr stattfindet. Dann werden sogar gemeinsam Prototypen getestet und darüber diskutiert.
cliquenabend.de: Besteht die Gefahr, dass ein "Konkurrent" ein Thema, einen Mechanismus oder sonst eine Idee adaptiert?
Wolfgang Kramer: Die Gefahr besteht natürlich immer, wenn man Prototypen zeigt und Personen dabei sind, die man noch nicht so gut kennt. So etwas kommt aber eher selten vor und geschieht dann eventuell auch unabsichtlich.
Viel häufiger kommt es vor, dass zwei oder mehr Personen unabhängig von einander dieselbe oder eine ähnliche Idee haben.
cliquenabend.de: Mit welchem Spieleautor würden Sie gerne mal ein Projekt starten und warum?
Wolfgang Kramer: Ich arbeite sehr gerne mit meinen Co-Autoren zusammen, möchte aber die Co-Autorentätigkeit nicht weiter ausbauen, sondern eher reduzieren, da ich auch sehr gerne eigene Projekte umsetzen möchte, die häufig etwas zu kurz kommen.
Das Interview wurde von Kevin Jensen für cliquenabend.de geführt.
Vielen Dank an Wolfgang Kramer für seine Unterstützung.
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