Interview mit Uwe Rosenberg zu Bohnanza und Co.
Wir haben uns mit dem wohl bekanntesten Bohnenanbauer im Kartenspiel-Universum unterhalten und verraten was Uwe Rosenberg in Zukunft plant und ob noch mehr Bohnen die Welt bevölkern werden.
cliquenabend.de: Hallo Herr Rosenberg würden Sie sich unseren Lesern, die Sie eventuell noch nicht kennen, bitte kurz vorstellen?
Uwe Rosenberg: Wenn mir ein Mikrofon vor die Nase gehalten wird, bin ich bei dieser Frage recht verlegen: „Also, ich bin Uwe. Und ich mache Spiele.“
Am liebsten erkläre ich, wenn ich mich Leuten vorstellen soll, dass mein Kartenspiel „Bohnanza“ bekannter ist als ich selber. Bei Spielen bleiben die Autoren häufig im Hintergrund. Ich bin deshalb bekannt, weil „Bohnanza“ bekannt ist, und dass „Bohnanza“ so erfolgreich ist, ist der Verdienst vieler Leute - hervorzuheben ist der Illustrator Björn Pertoft.
„Kann man vom Spieleerfinden leben?“ Diese Frage wird mir unter allen Fragen am häufigsten gestellt. Ich bin zwar hauptberuflich Spieleautor (mit abgeschlossenem Statistik-Studium), ich lebe aber nicht von meinen Neuentwicklungen, sondern von dem, was die Familie Bohnanza für mich erwirtschaftet.
Ich lebe in Gütersloh und Dortmund, meine Abende verbringe ich in der Regel mit Freunden beim Testspielen, den Tag zumeist am Computer, am Mensatisch an der Uni oder alleine vorm Spieletisch. Bei schönem Wetter nehme ich mir einen halben Tag, lass mich von Bus und Bahn irgendwo hinfahren und jogge dann langsam wieder nach Hause. Meine liebste Freizeitbeschäftigung ist mit Freunden zusammenzusitzen und zu klönen, wie wir in meiner Heimat Ostfriesland sagen.
cliquenabend.de: Welche Spiele haben Sie bisher entworfen und worum geht es da?
Uwe Rosenberg: Entworfen habe ich etwa 300 Spiele, veröffentlicht wurden 30. Dies ist ein nicht untypisches Verhältnis. Die meisten Spiele sind Kartenspiele. Deren Themen sind zweitrangig. Bei Kartenspielen ist es wichtig, dass alle Mechanismen gut ineinandergreifen. Am bekanntesten sind „Bohnanza“, „Mamma Mia“ und „Babel“ geworden. „Bohnanza“ ist ein Handelsspiel, bei dem Bohnen gleicher Sorte gesammelt werden, und „Mamma Mia“ ein Gedächtnisspiel, bei dem jede Runde aus zwei Phasen besteht: In der ersten Phase wird ein Kartenstapel aufgebaut, der in der zweiten Phase dann ausgewertet wird. „Babel“, das ich zusammen mit Hagen Dorgathen entwickelt habe, ist ein Zweipersonenspiel, bei dem die Kontrahenten Türme aufbauen und sich gegenseitig einstürzen lassen.
Zuletzt hatte ich auch Erfolg mit Partyspielen. Mein „Frauen und Männer“ wird sich bald 100.000 Mal verkauft haben. In diese Spieleform lege ich auch im nächsten Frühjahr meine Hoffnung. Gleich zwei Spiele sollen dann erscheinen.
cliquenabend.de: Sie entwickeln schon seit Ihrer Schulzeit Spiele, wie kam es zu dieser Leidenschaft? Wann und wie kamen Sie das erste Mal auf die Idee, selbst Spiele zu entwickeln?
Uwe Rosenberg: Um 1984 herum habe ich fast täglich mit zwei Nachbarskindern, Ansgar Scherb und Ude Goeman, Schach, Skat, „Scotland Yard“ und später „Kuhhandel“ gespielt. Eines Nachmittags haben wir mit „Focus“, dem Spiel des Jahres von 1980, kurzerhand ein Fußballspiel kreiert: „Du bekommst diese drei Figuren, ich nehme diese und das ist der Ball. Jetzt hüpfe ich auf den Ball und schieße ihn auf dein Tor.“ In den folgenden Tagen hatte sich Ansgar ein eigenständiges Fußballspiel ausgedacht. Ganz so, wie Kinder spielen, machten zunächst ich und danach auch Ude es Ansgar nach. Ansgars Entwurf blieb der beste unter unseren pubertären Ergüssen und so entwickelte und bastelte er ein Weihnachtsgeschenk für seine Mutter: ein Minenspiel, bei dem es um den Abbau von Gold, Silber und Kupfer ging. Das Spiel funktionierte mäßig gut, spornte mich aber zu eigenem sinnlosen Schaffen an.
Ich sehe mich noch heute, wie ich vor Nervosität Harndrang verspürte und auf die Toilette eilte, weil ich einen Moment zuvor eine tolle Spielidee zu haben glaubte. Ich saß auf der Toilette und träumte wirklichkeitsentrückt von so etwas wie Unsterblichkeit. Dass die Spielidee nichts taugte, bemerkte ich manchmal noch am gleichen Tag. Eine Sehnsucht nach Unsterblichkeit mache ich auch heute noch für mich geltend. Sie zu erklären, hat Milan Kundera in „Die Unsterblichkeit“ an den historischen Persönlichkeiten Goethe und Hemingway festgemacht: „Die Unsterblichkeit hat freilich nichts mit dem religiösen Glauben an eine unsterbliche Seele zu tun. Es handelt sich um eine andere, durchaus irdische Unsterblichkeit jener, die nach dem Tod im Gedächtnis der Nachfahren weiterleben. Jeder Mensch [...] beschäftigt sich seit seiner Jugend damit.“ Ich träumte nicht nur vom „Spiel des Jahres“, sondern ganz allgemein von Spielen, die auch nach meinem Tod noch gespielt werden sollen. Gerade eventuell einen kommenden „Bestseller“ zu erfinden, gibt mir auch heute noch immer wieder Antrieb, neue Spielideen zu verfolgen.
Meine Motivation nach ersten Tests Ideen dann auch zum fertigen Spiel abzurunden, liegt allerdings anders begründet. In dieser Phase der Entwicklung ist es der reine Spaß am Testen, der mich antreibt - weshalb ich auch am liebsten Spiele entwickle, die mir selbst gefallen. Meine Lieblingsspiele sind komplex, lassen den Kopf „qualmen“, mich regelrecht in die Spielewelt versinken und so viel Adrenalin ausstoßen, dass wenn Andere um Mitternacht einen „Absacker“ zu spielen wünschen, ich gerne noch einmal mit einem „heftigen“ Spiel (wie ich komplexe Spiele gerne bezeichne) munter werde. So habe ich das Spieleerfinden auch selten so sehr genossen, wie im Frühjahr 2005, als ich mit „Vor den Toren von Loyang“ einen Prototyp fertig gestellt habe, den die anspruchsvollen großen Verlage, zwar als sehr gutes, aber doch zu anstrengendes Spiel abgelehnt haben. Übertroffen wurde dieses Gefühl am Ende des gleichen Jahres, als ich mit der Entwicklung von „Agricola“ begonnen habe, welches ich auf der bevorstehenden Spielemesse in Essen neu vorstellen werde. Dieses Spiel wird vielleicht auf immer mein größter Stolz bleiben. Das Foto zeigt, wie ich den Prototyp des Spiels in Lüneburg vorführe.
cliquenabend.de: Bohnanza hat sich rasant in der Spielewelt ausgebreitet, wie kommt man auf die Idee, Bohnen als Protagonisten eines Kartenspieles zu nehmen?
Uwe Rosenberg: Diese Frage habe ich gerne an Uwe Mölter, dem Redakteur des Verlags „Amigo“, weitergeleitet. Dass mit Bohnen gehandelt wird, ist alleine sein Verdienst. Auf meine Anfrage hin schrieb er mir: Als du mir damals deinen Prototyp „Kolchose“ vorgestellt hattest, war die Bohnenidee schon in meinem Kopf. Ich hatte vorher für ein anderes Spiel das grafische Konzept mit den Bohnen, genauer mit Gemüse/Hülsenfrüchte entwickelt. Ich wollte damals für dieses andere Spiel keine Menschen, Gegenstände oder Tiere abbilden, sondern hatte die Idee Pflanzen zu „vermenschlichen“. Nun war der Autor des anderen Spiels der Meinung, dass meine Idee nicht so gut zu seinem Spiel passen würde. Ich gab ihm Recht und suchte nach anderen grafischen Ideen. Da bei „Kolchose“ schon Getreidesorten eine Rolle spielten, kramte ich meine Gemüse/Hülsenfrüchte wieder aus meiner Erinnerung und entschied mich dafür Bohnen statt Getreide zu nehmen, nicht zuletzt durch erste Kontakte zu Björn Pertoft und weil es sehr viele Bohnensorten in unterschiedlichen Formen und Farben gibt.
cliquenabend.de: Woher nehmen Sie die Ideen für immer neue lustige Bohnensorten?
Uwe Rosenberg: Ich recherchiere im Internet und in Fachbüchern. Meine Liste mit Bohnensorten beläuft sich auf an die 100 Einträge. Alle Bohnensorten, die in Bohnenspielen in der Vergangenheit veröffentlicht wurden, existieren tatsächlich (die einzige Ausnahme bildet die Zauberbohne aus „Rabohnzel“, die es nur in Kinderbüchern gibt). Aus den Bohnennamen Ideen zu lustigen Zeichnungen herzuleiten, finde ich nicht sonderlich schwer. Das Herausragende bei den Zeichnungen ist für mich die Lebendigkeit, mit der Björn Pertoft die Figuren zeichnet. Ich bewundere ihn dafür.
cliquenabend.de: Hätten Sie sich beim Entwurf des ersten Bohnanza-Spiels träumen lassen, dass es einmal so viele Erweiterungen geben würde? Was fühlen Sie, wenn Sie die Masse an Bohnanza-Titeln in den Verkaufsregalen sehen?
Uwe Rosenberg: „Ganz schön gelb hier“, denke ich immer wieder. Und dann fange ich unwillkürlich an, die Ausgaben zu sortieren und nach dem Preis zu sehen. Zum Glück fällt mir immer wieder rechtzeitig ein, dass ich die Spiele ja schon besitze. Und dann träume ich von einer ganzen Wand mit Bohnenprodukten: einen Kaffeebohnenbecher, einen Kakaobohnenbecher, Bohnenmützen, -socken und T-Shirts, „Buffalo Bill“-Literatur auf Bohnisch, eine ganze Reihe von Comics natürlich, meine Memoiren usw. Bis zur Veröffentlichung 1997 hatte ich gar nicht an Erweiterungen gedacht, ich hatte mir noch nicht einmal erträumt, dass „Bohnanza“ solch ein großer Erfolg werden könnte.
cliquenabend.de: Sie entwickelten bisher größtenteils Kartenspiele. Wie groß ist der Unterschied zwischen der Konzipierung und Entwicklung eines Brettspiels im Vergleich mit einem Kartenspiel?
Uwe Rosenberg: Es ist ein riesengroßer Unterschied. Beim Brettspiel nehme ich mir einen Mechanismus, suche das passende Thema und reichere den Mechanismus mit zum Thema passenden Ideen an. Das Thema muss stimmig umgesetzt werden - das musste ich erst lernen.
Beim Kartenspiel arbeitet man besser durchgehend am Mechanismus und setzt am Ende ein Thema drauf. Wichtiger als das Thema sind beim Kartenspiel Illustration (hierzu entwickele ich allenfalls Ideen) und Spieletitel. Mit weniger süßen Bohnen und einem weniger griffigen Titel wäre „Bohnanza“ nie so erfolgreich geworden. Bei Spieletiteln reimt man gerne „Rinderfinder“, „Muh Kuh“, „Katzenfratzen“ oder wie Amigo zuletzt „Ziegen kriegen“. Diese Titel suggerieren einfach zu erlernende Spiele - und das sollen Kartenspiele auch sein.
cliquenabend.de: Könnten Sie uns ein bisschen mehr zu Ihren Herbstneuheiten aus dem Hause AMIGO und Lookout Games verraten?
Uwe Rosenberg: Amigo hat anlässlich des zehnjährigen Bohnanza-Jubiläums dieses Jahr eine ganze Reihe von Bohnenartikeln verlegt, im Frühjahr „Bohnanza“ in der Blechschachtel, „Ladybohn“ und das Bohnenpuzzle, nun im Herbst erscheinen eine Bohnanza-Holzbox, „Bohnröschen“ und zwei Bohnanza-Bücher. Die Holzbox bietet zehn Bohnanza-Schachteln Platz. Bei „Bohnröschen“ müssen die Spieler einen Parcours bewältigen. Es stellt sich ihnen immer wieder die Frage, ob sie warten sollen, bis sie die nächste Aufgabe erfüllen können, oder ob sie sich besser von der Aufgabe freikaufen sollten. Bei den beiden Büchern handelt es sich um einen sehr witzigen Bohnencomic in Anlehnung an Fernsehserie und Kartenspiel sowie um ein Sammelsurium von Geschichten rund um die Entwicklung des Spiels.
Bei Lookout Games wird es zwei neue Spiele geben.
Die „Bohnanza Fan-Edition“ ist ein ganz normales Bohnanza-Grundspiel mit dem Unterschied, dass sich auf jeder Karte ein anderes Motiv befindet. Die Karten wurden im Rahmen eines Wettbewerbs von Bohnanza-Fans gestaltet. Ich selbst habe mir erlaubt, eine Zeichnung für ein „3. Bohnenfeld“ beizusteuern.
Unser zweites Spiel ist das bereits erwähnte, komplexe mittelalterliche Brettspiel „Agricola“. Jeder Spieler führt einen Hof und versucht mit Hausbau, Ackerbau und Viehzucht zu Lebenskomfort zu gelangen. Als Vorbild zu diesem Spiel möchte ich „Caylus“ nennen und dem Autor dieses wunderbaren Spiels, William Attia, für die Inspiration danken. Für weitere Informationen lade ich in die Gruppe „AGRICOLA“ auf der Internetseite www.studivz.net ein.
Spielregeln herunterladen
cliquenabend.de: Können Sie unseren Lesern verraten, was nach Essen als nächstes von Ihnen zu erwarten ist?
Uwe Rosenberg: Erscheinen werden zunächst die beiden erwähnten Partyspiele. Das eine ist eine Art Quizspiel, mit der Besonderheit, dass alle gegen den Quizmaster spielen. Das andere ist ein Charaktereinschätzungsspiel, das man als Prototyp bereits auf dem Herner Spielewahnsinn testen konnte - „Fishing for Compliments“ wird es heißen. Ich selbst darf nach der Messe an einem Partyspiel zu einer Fernsehsendung und an einem Kartenspiel zu einem Comicbuch arbeiten. Zu beiden Spielen habe ich bereits Vorbereitungen getroffen. Um welche Sendung und welches Buch es sich handelt, darf ich leider noch nicht verraten. Danach möchte ich mich wieder auf ein komplexes Wirtschaftsspiel einlassen. Als Redakteur möchte ich erst 2008 wieder in Erscheinung treten - ich würde gerne „Vor den Toren von Loyang“ verlegen. Zudem hoffe ich, ein weiteres Bohnanza-Buch schreiben zu dürfen.
cliquenabend.de: Wenn Sie eine Bohne aus der Bohnanza-Reihe sein könnten, welche wären Sie und warum?
Uwe Rosenberg: Die Gartenbohne: ackern, ackern, ackern. Als diese wurde ich auch im „großen Bohnanza-Buch“ karikiert. Arbeitshungrig bin ich wirklich ein wenig. Wenn mich ein Spielkonzept begeistert, vergesse ich alles um mich herum und „hau rein“.
cliquenabend.de: Gibt es noch etwas, was Sie unseren Lesern mitteilen möchten?
Uwe Rosenberg: Bevor mir was widerfährt? Für meine letzten Worte ist noch Zeit. Hoffentlich.
Vielen Dank an Uwe Rosenberg für die freundliche Unterstützung.
Das Interview wurde geführt von Stefanie Mohr und Kevin Jensen für cliquenabend.de
< vorige Seite | Seite 1 | nächste Seite > |