Interview: Kritische Fragen zum Kinderspiel des Jahres mit Sabine Koppelberg (Koordinatorin Jury Kinderspiel des Jahres)
Alle nominierten Kinderspiele des Jahres und noch viele weitere Spiele haben wir uns in den letzten Monaten genau angeschaut. Zu allen drei nominierten Spielen gibt es Bericht und Videos. Was fehlt sind ein paar Fragen zum Prozedere der Nominierung und zu den Spielen. Genau aus diesem Grund habe ich mit der Koordinatorin Sabine Koppelberg ein Interview geführt. Hier geht sie auch auf meine kritischen Fragen ein. Viel Spaß beim Lesen und vielen Dank Frau Koppelberg für die Zeit und für die Beantwortung der Fragen:
Frage 1:
Hallo Frau Koppelberg, im Juni 2014 wurde das Kinderspiel des Jahres verkündet. Wie viel Aufwand ist von Seiten der Jury hierfür erforderlich und wie viele Spiele wurden in etwa ausprobiert?
Antwort:
Diese rein ehrenamtliche Tätigkeit macht unheimlich viel Spaß, der Aufwand dafür ist aber auch sehr hoch. Seit Oktober 2013 haben wir rund 150 neue Kinderspiele wiederholt intensiv in verschiedenen Gruppen mit Kindern gespielt – in Familien, Kindertagesstätten und Schulen.
Jeweils im Herbst und im Frühjahr sichten die Jurymitglieder auf der Spielemesse in Essen und der Spielwarenmesse in Nürnberg an den Ständen der Spieleverlage alle relevanten Neuheiten und fordern diese bei den Verlagen an. Dann heißt es auspacken und spielen, spielen, spielen. Über unsere Eindrücke und Einschätzungen tauschen wir uns unter den Jurymitgliedern dann regelmäßig und intensiv in einem internen Diskussionsforum im Internet aus.
Frage 2:
Die Auswahl der Spiele finde ich sehr gelungen und auch der eine oder andere Kandidat hat mich postitiv überrascht. Wie wird diese Auswahl an drei Spielenen letztendlich festgelegt?
Antwort:
Nachdem wir nach x Spielrunden monatelang online unsere Erfahrungen über die einzelnen Spiele ausgetauscht haben, benennt jedes Mitglied Anfang April ca. 15 Spiele, die ihm besonders diskussionswürdig erscheinen. Rund vier Wochen später formuliert jeder seine persönlichen TOP 10, die sich aus drei Nominierungskandidaten und sieben Spielen für die Empfehlungsliste zusammensetzt. Klar, dass sich die einzelnen TOP 10 der acht Jurymitglieder dabei noch unterschieden. Die Summe dieser persönlichen TOP 10 ergab beispielsweise in diesem Jahr immerhin eine Gesamtliste von rund 35 Kinderspielen.
Mit diesen Spielen im Gepäck geht es dann Mitte Mai in die Klausurtagung – ein Wochenende, an dem alle Mitglieder persönlich zusammen kommen und direkt gemeinsam über die verbliebenen Spiele intensiv diskutieren. Alle Spiele kommen auf den Tisch und zum Teil bis tief in die Nacht hinein werden dabei immer wieder Spiele aussortiert, nochmal in die Diskussion zurück geholt und wieder beiseite gelegt, bis wir am Ende in einer demokratische Wahl drei Spiele als Kandidaten für das Kinderspiel des Jahres nominieren, sowie eine Anzahl weiterer hervorragender Spiele wählen, die wir daneben empfehlen möchten.
Frage 3:
Mit Geister, Geister, Schatzsuchmeister wurde ein kooperatives Spiel für Kinder ab 8 (lt. Jury-Empfehlung für Kinder ab 7) Jahren empfohlen. Handelt es sich dabei nicht eher um einen möglichen Spiel des Jahres Kandidat?
Antwort:
Wir schauen bei unseren Empfehlungen auch immer über den Tellerrand unserer Kernzielgruppe der Vier- bis Siebenjährigen. Neben Spielen für die ganz Kleinen gibt es dabei auch immer wieder Spiele, die so ein Mittelding zwischen Kinder- und Familienspiel sind. Also solche, die insbesondere Kinder im Alter zwischen sieben und – sagen wir mal – 12 Jahren ansprechen. Unsere Testgruppen haben immer wieder gezeigt: Diese Altersgruppe spielt sehr gerne Familien- und teilweise auch reine Erwachsenenspiele, aber sie sehnen sich auch immer wieder nach dem Kindlichen im Spiel. Die Aufmachung und das Spielmaterial mit den knuffigen Geistern und den Kindern als Schatzjägerfiguren sprechen hier in erster Linie Kinder an. Wenn dann noch ältere Geschwister und Erwachsene gerne mitspielen und herausgefordert werden, ist das wunderbar. Und nicht zuletzt können dank des kooperativen Spielmechanismus sogar faszinierte Fünf- und Sechsjährige mit eingebunden werden. Aufgrund unserer langjährigen Erfahrung sind wir überzeugt, dass „Geister, Geister, Schatzsuchmeister!“ mit seinen Varianten ein Spiel ist, das ähnlich wie das überaus erfolgreiche Kinderspiel des Jahres 2008 „Wer War’s?“ mit den Spielenden mitwächst und dabei auch verschiedenen Generationen an den Spieltisch bringen kann und ältere Kinder durchaus weg von PC, Konsole und Handheld hin zum Spieltisch lockt.
Frage 4:
Die Jury bzw. die Koordinaten rund um "Spiel des Jahres" legen großen Wert auf Material/Anleitung/etc.. Lt. Ihrer Aussage sehen Sie das durchaus kritisch (Kommentar auf der Juryseite), was ich persönlich sehr positiv finde.
Leider gibt es beim Sieger neben dem dünnen Karton, dünnen Karten und Fehlern in der Anleitung (Aufbauabbildung und Spielzuggliederung) einige Fehler. Warum hat man darüber hinweggesehen?
Antwort:
Natürlich sind uns die Regel-Ungenauigkeiten sofort aufgefallen und wir haben lange und intensiv darüber diskutiert. Schade, dass die erfahrene redaktionelle Beratung im Verlag hier nicht gegriffen hat. Die dünnen Karten haben wir nicht so negativ bewertet, denn sie werden in diesem Spiel nicht ständig in Kinderhänden gehalten und beansprucht. Außerdem haben sie bei allen Jurymitgliedern viele Testrunden unbeschadet überstanden.
Man muss allerdings auch sagen, dass uns in diesem Kinderspielejahrgang leider bei so gut wie jedem Spiel Macken aufgefallen sind – sei es im Regelwerk, beim Spielmechanismus oder dem Material – auch bei den von uns empfohlenen Kinderspielen. In den Testgruppen hat sich aber gezeigt, dass dies gerade bei „Geister, Geister, Schatzsuchmeister!“ dem Wiederspielreiz und Spielspaß keinen Abbruch tut.
Frage 5:
Als der Sieger Geister, Geister, Schatzsuchmeister verkündet wurde, haben sich viele Kinder meiner Gruppe sehr gefreut und viele Eltern sprachen von einem würdigen Sieger. Wie ist ihrer Einschätzung nach einigen Tagen? Erfahren auch Sie positive Ressonanz oder gibt es auch kritische Töne?
Antwort:
Die Resonanz bei Kindern und Familien ist bisher sehr positiv, aber um ein endgültiges Fazit zu ziehen, ist es so kurz nach der Preisverleihung noch viel zu früh. Wir wünschen uns natürlich sehr, dass wir mit jedem unserer Preisträger möglichst viele Kinder und Familien dauerhaft an den Spieltisch locken.
Frage 6:
Nach einigen Wochen (Sommerpause) beginnt ja schon im September/Oktober der neue Spielejahrgang. Was spielen Sie in dieser Zeit mit Kindern bzw. was spielen Sie selbst gerne?
Antwort:
Ganz nach dem Motto „nach der Preisverleihung ist vor der Preisverleihung“ kann man nicht wirklich von einer Sommerpause sprechen, denn auch jetzt liefert der Paketdienst immer mal wieder die eine oder andere Kinderspielneuheit, die dann auch direkt familienintern ausprobiert wird. Und wer Kinder im Grundschulalter zuhause hat, der weiß, dass man um ein paar Partien „UNO“ auch nicht herum kommt ;-). Ansonsten sind mein ebenfalls spielbegeisterter Mann und ich glücklicherweise nicht auf einen bestimmten Spiele-Typ fixiert. Wir mögen sowohl kurze, knackige Spiele wie „Hanabi“ oder „Las Vegas“ als auch abendfüllende wie „Die Legenden von Andor“ oder „Schatten über Camelot“.
Frage 7 bzw. Abschluss:
Herzlichen Dank für Ihre Antworten, ich hoffe wir treffen uns einmal persönlich, vielleicht auf einer kommenden Messe wie die SPIEL in Essen? Ansonsten gute Zeit.
Antwort:
Danke auch - und ein Zusammentreffen in Essen wäre durchaus möglich, denn natürlich ist der Oktober-Termin fest bei uns eingeplant.