Mit deutschen Brettspielen amüsiert sich die Welt
Gesellschaftsspiele "made in Germany" sind auch im Computerzeitalter ein Verkaufsschlager. In keinem anderen Land gibt es so viele neue Ideen! Was tun berühmte Schauspieler und Musiker eigentlich zu Hause hinter verschlossenen Türen? Die Antwort von Showgrößen wie Justin Timberlake, Johnny Depp oder Bruce Willis dürfte viele überraschen: Sie spielen. "Wir geben viele Dinnerpartys und machen dann Brettspiele. Ich liebe Scrabble", sagt zum Beispiel Schauspielerin Jessica Biel. US-Rapper Jay-Z und Sängerin Beyoncé spielen "Vier gewinnt", Johnny Depp soll Monopoly-Fan sein, U2-Frontmann Bono hält es klassisch mit Schach. Actionstar Bruce Willis dagegen steht auf Domino.Und die VIP stehen mit ihrer Leidenschaft nicht alleine da. Auch viele amerikanische Normalverbraucher mögen Gesellschaftsspiele, vor allem die aus Deutschland. In Übersee werden Brettspiele mittlerweile nur noch "German type games" genannt. Klubs sind entstanden, in denen "Siedler", "Scotland Yard" oder "Tabu" gespielt wird. In Korea bezahlen Fans sogar Eintritt, um sich in sogenannten Board-Game-Cafés mit Brettspielen aus Deutschland zu entspannen. Erfolgsmotor ist unter anderem das Strategiespiel "Die Siedler von Catan", das 1995 mit dem Kritikerpreis "Spiel des Jahres" ausgezeichnet wurde. Mit allen Erweiterungen hat sich das Spiel aus dem Kosmos-Verlag weltweit bereits rund neun Millionen Mal verkauft und ist damit zum erfolgreichsten Spiel der vergangenen Jahrzehnte aufgestiegen. Die Beliebtheit der deutschen Brettspiele macht sich auch in den Bilanzen der heimischen Hersteller bemerkbar. "Der Export ist für uns ein wichtiger Stützpfeiler", sagt zum Beispiel Karsten Schmidt, der Vorstandschef von Ravensburger. Die Nummer zwei im deutschen Brettspielmarkt verkauft mittlerweile fast 60 Prozent seiner Spiele und Puzzles im Ausland, insbesondere in Frankreich, England, Österreich und der Schweiz. Aber auch im Inland wird wieder mehr gespielt. So legte der Umsatz mit Gesellschaftsspielen laut den Marktforschern von Eurotoys um neun Prozent auf rund 430 Millionen Euro zu. Zum Vergleich: Der Spielwarenmarkt insgesamt schaffte ein Umsatzplus von einem Prozent auf 2,3 Mrd. Euro. Die dreiprozentige Mehrwertsteuererhöhung rausgerechnet, dürfte unter dem Strich aber ein Minus stehen. Für das laufende Jahr prognostizieren Experten der Branche erneut Verluste. Dagegen soll der Brettspielmarkt, der von großen Verlagen wie Ravensburger, Hasbro, Schmidt oder Kosmos dominiert wird, erneut deutlich zulegen. Der gute Ruf der deutschen Brettspiele kommt nicht von ungefähr. In keinem anderen Land gibt es so viele Spielerfinder, werden jedes Jahr so viele Ideen zur Marktreife gebracht. Ravensburger-Chef Schmidt schätzt die Zahl der Neuerscheinungen auf 600 bis 700. Fünf Prozent davon stammen von seinem Unternehmen - in diesem Jahr unter anderem das Brettspiel zum Umberto-Ecco-Roman "Der Name der Rose" oder "Das große Spiel der Namen", bei dem es um die Herkunft von Namen geht.Bis zu zwei Jahre kann laut Schmidt die Entwicklung eines Spiels dauern. "Man braucht in diesem Job zwar viel Fantasie und logisches Denken", sagt Spielerfinder Wolfgang Kramer. In erster Linie aber sei Geduld nötig, sagt der Schwabe, der Autor bekannter Spiele wie "Auf Achse" oder "Heimlich und Co" ist. Nicht immer wird die Geduld belohnt: Branchenexperten zufolge schafft es nur ein Bruchteil der Spielvorschläge auf den Markt.Dafür haben populäre Brettspiele heute auch die Chance, auf den elektronischen Markt zu kommen. Electronic Arts etwa, der Marktführer für Spielesoftware in Deutschland, will in Zukunft mit Brettspiel-Marktführer Hasbro zusammenarbeiten und Klassiker wie etwa "Monopoly" - noch immer eines der erfolgreichsten Spiele weltweit - "Risiko", "Yahtzee" und "Trivial Pursuit" als Softwareversion auf den Markt bringen. Erscheinen sollen die Spiele sowohl für den PC als auch für Konsolen und das Handy. Konkurrenz von Computerspielen und Konsolen fürchten die Brettspielmacher nach eigenen Angaben nicht. "Diese Umsätze kommen im Spielbereich oben drauf. Es gibt hier kaum eine Substitution mit dem klassischen Bereich", sagt Schmidt. Dabei wurde den klassischen Brettspielen im Internetzeitalter schon mehrfach das Ende prophezeit. Tatsächlich aber konnten sie Schätzungen zufolge ihren Marktanteil am gesamten Spielzeugmarkt in den vergangenen zehn Jahren noch ausbauen - von 14 auf 17 Prozent. "Brettspiele werden niemals von der Playstation verdrängt", ist Bernward Thole überzeugt. Der Leiter des Deutschen Spiele-Archivs in Marburg ist Mitbegründer des Kritikerpreises "Spiel des Jahres", der 2007 an das Brettspiel "Zooloretto" von Michael Schacht verliehen wurde.Derartige Auszeichnungen versprechen Erfolg, orientieren sich doch viele Verbraucher daran: "Damit verkauft sich ein Spiel locker zehnmal mehr", heißt es etwa vom Schmidt-Spiele-Verlag. Erfüllt ein Spiel die Erwartungen nicht, wird es vom Handel gnadenlos aus den Verkaufsregalen genommen.
Quelle: welt