Ich werde ihm ein Angebot machen, dass er nicht ablehnen kann…
Nachdem Czarnè mit Gangster – Die Bosse von New York eine erste Brettspielumsetzung zu Robert „Bill“ Nippoldts gleichnamigem illustrierten Buch rund um das US-Ganovenmilieu der 30er-Jahre entwickelte, geht Amigo nun in die zweite Runde. Gleicher Illustrator, gleiche Thematik, gleiche Gangsterbosse und selbst fast gleicher Titel des Spiels, dennoch hält man mit der Gangsterversion von Thorsten Gimmler ein komplett neues Konzept in den Händen. Wir haben uns einen Schnurrbart wachsen lassen und eine Zeitreise ins Chicago der Roaring Twenties gemacht, um herauszufinden ob auch dieses Gangsterspiel das Zeug dazu hat, vom Boss persönlich gespielt zu werden.
Vor dem eigentlichen Spielkonzept noch ein kleines Vorwort zur Story:
Im Chicago der 30er Jahre ringen zahlreiche rivalisierende Gangsterbanden um die Überlegenheit in der Stadt. Nach dem großen Krieg wurde die Prohibition ausgerufen, aber wirklich friedlich geht es nicht in der Stadt am Südwestufer des Michigansees zu. Es tobt ein offener Bandenkrieg und die Polizei ist bei all dieser Macht ausgeliefert oder geschmiert. Wenn die Gangsterbosse ihre Capos durch die Stadtbezirke schicken, leben die Bewohner von Chicago in Angst und Schrecken. Detonierende Bomben gehören zur Tagesordnung, ebenso wie Erpressung, Raubüberfälle und offene Gewalt. Glücksspiel, Pferdewetten und Alkoholschmuggel sorgen dafür, dass das sizilianische Gesetz weiter aufrecht erhalten wird und sich die Ganovenbosse eine goldene Nase verdienen. Doch nur wer die lukrativsten Stadtviertel beherrscht, hat auch das Zeug dazu, der Boss der Bosse zu werden - der König von Chicago.
Der reichste Mann ist immer der, der die mächtigsten Freunde hat.
Je nach Spieleranzahl werden auf dem variablen Spielplan neun bis zehn Bezirke ausgelegt. Bei einer Gesamtzahl von insgesamt fünfzehn verschiedenen Arealen gibt es genug Abwechslung, sodass das Ganovenspiel auch bei mehrmaligen Straßenduellen immer anders verläuft. Nachdem jeder Schurke seine ersten zwei Bezirke zugeteilt bekommen hat und ins Auto eingestiegen ist, kann es losgehen. Ziel des Spiels ist es, durch geschicktes Platzieren von eigenen Handlangern in Straßenvierteln die meisten Siegpunkte zur Wertung zu kassieren. Insgesamt drei Aktionen stehen den Spielern zur Verfügung: Zum einen können die drei Bewegungskarten einzeln umgedreht werden, um 1, 2 oder 3 Felder weit zu fahren, ein eigener Gangster ausgeladen oder ein eigener oder fremder Ganove eingeladen werden. Feindliche Gangmitglieder werden freundlicherweise im Kofferraum geparkt. Nach und nach fährt man durch die Gegend, packt Leute ein und organisiert die Mehrheitsverhältnisse neu. Sobald eine der Fahrkarten einmal genutzt wird, muss diese auf die Rückseite gedreht werden und erst wenn alle dieser speziellen Bewegungskarten mit der Rückseite nach oben zeigen, bekommt man diese wieder. In diesem Falle wird eine Rundenkarte/Straßenviertelkarte umgedreht und definiert, wo das nächste „2x-Plättchen“ platziert wird. Insgesamt acht dieser Siegpunkteverdoppler müssen verteilt werden, bevor eine von drei Zwischenwertungen vorgenommen wird.
Auf allen Stadtvierteln sind verschiedene Siegpunktzahlen abgebildet, die man je nach Präsenz im Stadtbezirk erhält. Hat zum Beispiel eine Region folgende Zahlen aufgedruckt 7/2/5/1, so gewinnt der Platzhirsch die sieben Punkte, der Zweitplatzierte bekommt zwei Siegpunkte, Rang drei wird mit fünf Siegpunkten belohnt und für den Vierten gibt es zumindest noch einen Trostpunkt. Manchmal ist es also nicht zwingend sinnvoll, den besten Rang in einem Straßenviertel zu erhalten, sondern seine Ganoven so abzupassen, dass man persönlich die meisten Siegpunkte ergattert. Eine Ausnahme ist das Fragezeichen, welches auf manchen Bezirken abgedruckt ist. Bei der Wertung wird in diesem Falle eine Casino-Karte gezogen, bei der eine Zahl von 1 bis 6 aufgedruckt sein kann. Wer also eine solche Siegpunktzahl ins Auge fasst, muss mit dem damit verbundenen Risiko leben. Bei der Berechnung der Siegpunkte wird zunächst die Mehrheit ausgewertet, sollten gleich viele Mitglieder einer Familie in einem Bezirk stecken, so haben später hinzugefügte meist einen höheren Rang und sind demnach mehr wert.
Irgendwann, möglicherweise aber auch nie, werde ich dich bitten, mir eine kleine Gefälligkeit zu erweisen.
Damit man nicht nur die ganze Zeit in der Pampa herum fährt und Ganoven verteilt, gibt es einige Elemente, die für ein wenig Pepp sorgen. Zum einen gibt es spezielle Fähigkeitenplättchen, wie den Bodyguard, die Tommygun, den Kofferraum, die Stoßstange, die Fahrzeugtür oder den Motor. Mit Hilfe der Tommygun kann man gegnerische Gauner auch in benachbarten Vierteln einsacken; mit dem Motor erhöht man die Geschwindigkeit des Retro-Automobils um einen Bezirk pro eingesetzter Bewegungskarte. Der erweiterte Kofferraum ermöglicht es, gleich zwei Mitspieler im selbigen zu verstauen.
Von Anfang an besitzt jeder Spieler eine dieser Sonderplättchen, die zufällig gezogen werden. Wer neue möchte, darf seine Mitspieler zu einem sizilianischen Frühstück einladen… oder genauer gesagt, ein Frühstück für die Fische im Hafen. Entführte Bandenmitglieder aus anderen Familien werden kurzerhand aus dem Kofferraum ausgeladen, landen aber nicht in einem neuen Bezirk, sondern als Fischfutter im Hafen. Hier kann man zwar keine Siegpunkte erringen, aber hat die Möglichkeit, neue Sonderplättchen zu ergattern und mit vorherigen zu kombinieren. Dabei kann man immer nur zwei dieser Spezialfertigkeiten besitzen und neu hinzugewonnene werden nach und nach überschrieben.
Was sich nach einer einfachen Mechanik anhört, hat dennoch seinen ganz persönlichen Reiz mit Tiefgang und jeder Menge taktischer Möglichkeiten. Da man nie weiß, wie die Mitspieler reagieren, wenn man ihre Schurken entführt und an die Fische verfüttert, entsteht ein ständiges Für und Wieder: Bandenkriege entfachen oder es werden gar Allianzen gebildet. Man muss immer wissen, wann man Bündnisse über Board wirft und seine eigene Taktik verwirft, denn das Jeder-gegen-Jeden-Prinzip gehört zur Tagesordnung im Chicago der 30er-Jahre.
Strategie:
Obwohl man in jeder Runde nur eine Aktion durchführen kann wie Autofahren, aussetzen oder einsteigen lassen, entstehen nach und nach richtige Gebietskämpfe um die wichtigen Areale. Siegpunkte wollen gewonnen werden, Rivalitäten ausgefochten und eigene Mannen untergebracht werden. Ein Konzept getreu dem Motto: „Genial einfach, einfach genial.“ Egal ob Neueinsteiger oder eingesessener Stratege, je nach dem, wie die Mitspieler handeln, kann ein ganz neues Gesamtbild entstehen.
Interaktion:
Mit der Möglichkeit in der Hinterhand, fremde Spielsteine zu entführen und taktisch einzusetzen, wird man gezwungenermaßen mit seinen Mitspielern diskutieren müssen. Überzeugungskraft kann wahre Wunder wirken, damit eigene Ganoven nicht im Hafen, sondern in fremden Bezirken hinterlassen werden. Frei nach Schnauze kann man demnach mit- oder gegeneinander arbeiten.
Glück:
Fortuna lenkt die Geschicke nur bedingt. Acht der zehn Areale werden mit einem Siegpunktverdoppler ausgestattet, bevor die Wertung gerechnet wird. So kann man also Pech haben, dass im eigenen Herrschaftsgebiet die Punkte nur einfach zählen. Ein weiterer Glücksfaktor ist das Fragezeichen auf den Bezirkskarten. Wenn die Wertung errechnet wird, wird eine zufällige Casino-Karte gezogen. Mit Zahlen von 1 bis 6 ist jedoch dieser Risikofaktor berechenbar.
Packungsinhalt:
Robert Nippoldts Illustrationen sind ein wahrer Hingucker. Die Thematik wird durch die mehr als gelungenen Grafiken gekonnt in Szene gesetzt und man fühlt sich in die klassische Zeit der 20er-30er-Jahre zurückversetzt. Ansonsten findet man zahlreiches Material aus Holz und Pappe: 100 Holz-Gangster in fünf Farben, 5 Autos, 5 Einflussmarker 15 Bewegungskarten, 13 Bezirkskarten, 6 Casino-Karten, 5 Gangster-Tableaus, 15 Bezirkstafeln, 30 Sonderausrüstungsplättchen, 8 Siegpunkverdoppler, 3 Übersichts-Tableaus, 1 Spielplan und natürlich die Spielanleitung. Insgesamt bekommt man viel fürs Geld und optisch richtig was geboten.
Spaß: